"Entrepreneurship ist wie Kunst. Es gibt (fast) keine Grenzen."

Benjamin Kerber ist Gründer, Buch- und Klangautor

Dreimal hat er bei JUGEND GRÜNDET mitgemacht, noch im Studium hat er gegründet und ist als Investor aktiv. Außerdem ist Alumni Benjamin Kerber künstlerisch tätig. Wie Kunst und Entrepreneurship zusammenpassen? Uns hat es Benjamin verraten.

Wenn du auf deine Teilnahme bei JUGEND GRÜNDET aus heutiger Sicht zurückblickst: Was möchtest du denjenigen mitgeben, die sich jetzt am Wettbewerb beteiligen?

Entrepreneurship ist wie Kunst. Es gibt (fast) keine Grenzen. Probiert eure Ideen aus, probiert euch aus. Macht so früh wie möglich neue Erfahrungen und füttert weiter eure Neugierde.

Wie sagte es wohl Mark Twain? In 20 Jahren wirst du dich mehr ärgern über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast! In diesem Sinne: Handelt! Handelt, heute. Handelt heute für morgen.

 

Du hast ab 2010 dreimal bei JUGEND GRÜNDET mitgemacht. Was war dein größter Erfolg?

Hinsichtlich der Wettbewerbsplatzierungen, meines Wissens im Jahr 2010/11 in den TOP 50. Damals hatte ich mit einer Geschäftsidee zur dezentralen Energieversorgung meines Heimatdorfes (Reihen) teilgenommen.

Darüberhinaus war ein anderer Erfolg, die Verknüpfung des Unterrichtsstoffs aus der Schule im EWG-Unterricht (Erdkunde, Wirtschaftskunde, Geschichte) mit dem Lernangeboten auf der JUGEND GRÜNDET-Homepage und der praktischen Anwendung im Laufe des Wettbewerbs beim Durchlaufen der verschiedenen Wettbewerbsstufen vom Businessplan bis zur Unternehmenssimulation. Und auch die Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen und deren Wirksamkeit.

 

Bist du jedes Jahr mit einer neuen Idee gestartet oder hast du eine Idee modifiziert? Und was hat dich gereizt, drei Jahre hintereinander innovative Geschäftsideen zu entwickeln?

Ich startete jedes Jahr mit einer anderen Idee. Beim ersten Mal mit "MicryEnergy", der oben genannten Idee der dezentralen Energieversorgung der 2.000 Einwohner. Die Energie sollte damals eine Kombination aus Windkraft, Photovoltaik, sowie einer Biogasanlage zusammen mit einem Holzhackschnitzelkraftwerk bereitgestellt werden.
An sich ein Geschäftsmodell wie in vielen anderen Bioenergiedörfern auch. Andererseits packte ich bereits damals die Technologien in Richtung einer angepassten Bedarfsregelung mit Hilfe von "SmartHome" ein, also dass jeder Haushalt aktiv den Kraftwerkverbund mit "beeinflussen" können sollte, indem die Verbrauche und das Nutzungsverhalten analysiert werden... Und hinsichtlich der Eigentümer sollte in Zeiten von herannahenden Negativzinsen der Kunde zum Investor werden. D.h. im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung und da auf dem Dorf (gefühlt) alle sich kennen, sollten den Kunden und Energienutzern auch das Unternehmen gehören.

Später startete ich mit "Traffic Solar Deutschland". Hierbei, wieder ein Energie-Geschäftsmodell, löste ich mich von der dörflichen Struktur. Bei Traffic Solar wollte ich die ganzen Autobahnrandflächen zur Stromerzeugung nutzen. D.h. Lärmschutzwände, Schilderbrücken, Autobahnschutzwälle, etc. und über den Stromverkauf Geld verdienen. Gleichzeitig aber auch die Nutzung der Solarthermie für die Rastanlagen. Fast alle waren schon mal auf Rastanlagen und Autobahnparkplätzen. Oft haben die Toiletten keine Solaranlage auf dem Dach. Daber könnte man viel Potential wecken. Angefangen von einer Autarkie mittels eines Pufferspeichers für die Beleuchtung, andererseits aber auch für den Betrieb von Duschen (bspw. für LKW-Fahrer).. Oder die Überdachung der Parkflächen mit Solarcarports, gerade jetzt, wenn die Elektromobilität immer weiter Einzug erhält.

Und mit am Ende meiner Schullaufbahn nahm ich noch mit "Indzon Energy" teil. Ein wenig klingt "Ind" vielleicht heraus? Die Geschäftsidee spielt in INDien. Als Schüler stand ich damals bei der MVV in Mannheim in der Baustelle des damalig neuen "MK6" = Einem damals in Bau befundenen "Müllbunker", Teil eines Müllheizkraftwerk. Diese Größe beeindruckte mich derart, dass mich das Thema nicht mehr losließ.

Und als Schüler las ich daneben viele Berichte über die riesigen Müllhalden in Indien, schrieb ein Referat über das Thema am TG und besuchte in meiner Stadt Sinsheim eine Recyclinganlage der AVR und dachte mir: Das ist kein Müll. Das ist ein wertvoller Rohstoff. Rohstoffe sollten wir recyceln oder entsprechend energetisch nutzen. Zumal: Restmüll entspricht etwa dem Energiegehalt von Braunkohle.

Und mit der Erfahrung aus dem Müllbunker schrieb ich drauf los. Müllheizkraftwerke für Indien (Vielleicht am besten als Joint Venture mit der MVV - zumal die MVV bereits auch in England Müllverbrennungsanlagen betreibt ;) ). Erträge? Über den Verkauf der Energie, also vor allem Wärme (optional Nutzung der Wärme für die Industrie als Prozessenergie) und der Verkauf von Strom. Ebenso bleibt bei der Verbrennung etwas übrig, beispielsweise Schlacke. Diese lässt sich "stofflich" verwerten im Tiefbau (und Indien boomt), Metalle (im Müll) lassen sich zurück in die Metallindustrie führen, Gips - nutzbar in der Baustoffindustrie.. und es wird eine hygienische Herausforderung gemeistert, sowie neue Arbeitsplätze geschaffen..

 

Du hast an der Carl-Bosch Schule in Heidelberg dein Abitur gemacht. Was hast du danach gemacht und warum? Studium?

Richtig. Angestachelt von der ganzen Recyclingthematik und regenerativen Energien suchte ich mir ein passendes Gymnasium. Hier fand ich in Heidelberg das Technische Gymnasium und konnte 2012 am Pilotschwerpunkt Umwelttechnik teilnehmen und schrieb passenderweise in der Umwelttechnik mein Abitur.

Schon zur Schulzeit, wie das Gedankenspiel und die Geschäftsidee mit Indien zeigt, reizen mich andere Kulturen sehr. So entschied ich mich, nach dem Abitur ins Ausland zu gehen und einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Eigentlich hatte Indien sehr große Chancen, das Land für den Freiwilligendienst zu werden, am Ende wurde es dann aber Bolivien. Mich hatte dann doch die Herausforderung einer neuen Sprache (Spanisch) und der Struktur von Bolivien als Binnenland in Südamerika mehr gereizt.

Wieder in Deutschland studierte ich für ein Semester Politikwissenschaften, da ich feststellte, dass die politischen Prozesse maßgeblich sind, für die Meisterung vieler gesellschaftlicher Herausforderungen. Zudem hatte ich schon in meiner Schulzeit den Wunsch, Bürgermeister zu werden, so lag für mich die Entscheidung zur Politikwissenschaft sehr nahe. Und als Bürgermeister, so nehme ich an, helfen einem das Wissen und die Lust am Entrepreneurship durchaus weiter. Der Wechsel zur BWL kam dann im Zuge des Wirkungsschaffer-Stipendiums im Social Impact Lab Stuttgart, in dem ich mich dann verstärkt den Finanzthemen widmete und meine Zukunft mehr in der BWL sah.

 

Du hast inzwischen auch selbst gegründet? Was? Wann? Gibt es das Unternehmen noch?

Genau. Zurück in Deutschland und im Studium der Politikwissenschaft wurde die Studentenkresse GbR als Verlag in Bamberg gegründet. Durch die Teilnahme am Wirkungsschaffer-Stipendiums in Stuttgart wurde die GbR aufgelöst, Teile davon leben bei BKCA weiter.

Im Zuge des Wirkungsschaffer-Stipendiums "gründete" ich die Finanu Impact Initiative. Non-profit. Hier dreht sich alles um das Thema finanzielle Bildung und Teilhabe.

Ansonsten engagiere ich mich als Kleininvestor verschiedenster Start-ups beim Aufbau neuer innovativer Produkte und Dienstleistungen.

 

Du bist auch künstlerisch aktiv, als Buchautor, als Komponist und als Klangautor.  Erzähl uns etwas von deiner künstlerischen Ader und wie du sie auslebst.

Angespornt wahrscheinlich mit durch die Arbeit meines Paten Anatoli Grischko, welcher selbst Künstler ist, begann ich meine ersten Gehversuche in der Kunst. Anfangs noch stärker mit Leinwänden, später spürte ich immer mehr den Drang mit weiteren Sinneswahrnehmungen zu experimentieren. Auch hier, wie zuvor bei den Leinwänden, inspirierte mich Max Ernst weiter. So tauchte ich weiter ein in die Welt des Dada und entdeckte neue Kunsttechniken und -formen.

Das Ausleben beginnt mit der ungestillten Neugierde, verbunden mit der Wahrnehmung. Ob durch Eindrücke beim Spaziergang durch die Stadt, Musik hören in der Bahn oder Lesen von Büchern zuhause. Oder beim Kochen, wenn doch noch etwas Salz fehlt. Darauf folgt meist die Notiz von neuen Momenten und anschließend die Ausarbeitung von ersten Ideen zu Konzepten und schließlich der Umsetzung. Die Faszination liegt hier auch in der grenzenlos scheinenden Kunst. Alles ist möglich. 

 

Nutzt der Entrepreneurship-Gedanke auch dem Künstler?

Ja! Wenngleich ich frage: Ist es nicht umgekehrt? Hilft der Künstler-Gedanke nicht dem Entrepreneurship? Der Künstler ist wie ein Entrepreneur. Ein Neuerschaffer. Der Innovator. Neue Ideen und Konzepte werden aufgegriffen und im besten Fall etabliert. Und mit der schöpferischen Zerstörung kennt sich die Kunst auch gut aus. Zumal es mir so scheint, dass die Kunst in Deutschland auch beim Scheitern und Umgang dessen schon weiter ist. Scheitern mit neuen Kunstideen, Kunstwerken und Kunstformen. Der Gedanke, neue Kunstwerke zu schaffen und sofort am Publikum zu testen und die Reaktionen wahrzunehmen, hilft sehr stark dem Entrepreneurship. Hier: Mit dem MVP so früh wie möglich raus an den Kunden/Nutzer zu gehen. Reaktionen und Verhalten einholen und implementieren. Daneben auch das Scheitern der Ideen, die zu Teilen der Zeit voraus sind. Und wie sich die Kunst durch alle Menschen fortentwickelt, sollte sich auch Entrepreneurship fortentwickeln. Entrepreneurship kann viel von der Kunst lernen.