Was ist Social Entrepreneurship?

Was ist das eigentlich, dieses „Social Entrepreneurship“, wovon alle reden? Was ist damit gemeint? Berechtigte Fragen, denn so leicht sind die gar nicht zu beantworten. Grob gesagt spricht man bei Social Entrepreneurship von Sozialunternehmertum. Es geht also um Soziales und um Unternehmertum. So weit, so gut. Das versteht man ja auch schon mit mittelmäßigen Englischkenntnissen.

Darüber hinaus wird es nun ein bisschen schwammig. Denn über die genaue Definition von „Social Entrepreneurship“ wird in Fachkreisen noch gerungen. Ein Unternehmer ist im Wortsinne jemand, der etwas unternimmt. Ein Sozialunternehmer unternimmt also etwas Soziales, sprich er hat soziale Themen im Sinn.

D I E    I N H A L T E

  1. Der Begriff Sozialunternehmen
  2. Vorurteile und Klischees
  3. Von Wohltätigkeit bis Gewinnmaximierung
  4. Exkurs:  Historisch-kulturelle Einordnung
  5. Was wollen Sozialunternehmer und was zeichnet sie aus?
  6. Was haben Sozialunternehmen gemeinsam?
  7. Exkurs: Warum muss man überhaupt zwischen Social Entrepreneuren und "normalen" Unternehmern unterscheiden?
  8. Unternehmensstrukturen

Der Begriff Sozialunternehmen

In Deutschland wird der Begriff des Sozialunternehmens vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wie folgt erklärt:

Sozialunternehmen sind Organisationen, die von Personen aus ihrem individuellen bürgerlichen Engagement heraus und mit der Zielsetzung, gesellschaftliche Herausforderungen mit innovativen und unternehmerischen Herangehensweisen zu lösen, gegründet oder betrieben werden.

Auf europäische Ebene erläutert die Europäische Kommission den Begriff des Sozialunternehmens folgendermaßen:

Sozialunternehmen sind Unternehmen

  • für die das soziale oder gesellschaftliche gemeinnützige Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt, was sich oft in einem hohen Maße an sozialer Innovation äußert,
  • deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses soziale Ziel zu erreichen
  • und deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.

Vorurteile und Klischees

Nun sind klassische Unternehmen und Konzerne nicht unbedingt dafür bekannt, dass ihr Fokus auf sozialen Themen liegt. Den meisten geht es um Profit. Darum, dass sie ihr Angebot gut auf dem Markt platzieren, dass sie sich gegen die Konkurrenz behaupten, damit ihr Angebot von der entsprechenden Zielgruppe wahrgenommen und gekauft wird. Und damit sie damit Geld verdienen. Geld, von dem sie ihre Mitarbeiter bezahlen und das sie in die Weiterentwicklung ihres Unternehmens investieren. Soziale Themen sind dabei in der Regel zweitrangig und betreffen eher den eigenen Mitarbeiterstamm und das Unternehmensimage. Sie sind jedenfalls nicht das primäre Ziel der Organisation. So viel zum vereinfachten Klischee des Wirtschaftsunternehmens.

Im Gegensatz dazu gibt es auch reine Wohltätigkeitsorganisationen, die mit sozialen Themen betraut sind, dabei aber nicht unternehmerisch vorgehen und keine Gewinne erwirtschaften.

Sozialunternehmer vereinen nun die positiven Aspekte beider Ansätze: Sie nutzen die gestalterischen Möglichkeiten, die man als Unternehmer hat, um soziale Probleme zu lösen. Ein Social Entrepreneur setzt sein unternehmerisches Geschick ein, um gesellschaftliche Missstände zu verbessern.

Von Wohltätigkeit bis Gewinnmaximierung

Auf dem Kontinuum zwischen den beiden Polen – Wohltätigkeit und Gewinnmaximierung – befinden sich Social Entrepreneure in der Mitte:

EXKURS Nr.1: Historisch-kulturelle Einordnung

Die unterschiedlichen Sichtweisen auf das, was man als Sozialunternehmen bezeichnen kann, sind vor allem historisch-kulturell geprägt.

So gibt es einerseits die Haltung, dass Social Entrepreneurship laut Definition vor allem durch den Fokus auf eine wirtschaftliche Tätigkeit und starke Marktorientierung geprägt ist.

  • Dementsprechend gelten nur solche Unternehmen als „Social Enterprises“, die wirtschaftlich autark, also eigenständig sind und unabhängig arbeiten. Hier geht es um eine klare Abgrenzung gegenüber Wohlfahrtsorganisationen und Non-Profit-Organisationen. Diese Sicht ist vor allem durch den US-amerikanischen Raum geprägt und dort vertreten. In der US-amerikanischen Gesellschaft haben Individualismus und Autonomie seit jeher einen hohen Stellenwert, welcher sich auch in weitgehend deregulierten Märkten und einer liberalen Wirtschaftspolitik in einer freien Marktwirtschaft niederschlägt. 

Dem gegenüber steht die stärker europäisch geprägte Sicht, dass vor allem das Schaffen eines gesellschaftlichen Mehrwerts  im Vordergrund steht.

  • Die wirtschaftliche Autonomie und Orientierung am Markt treten dabei eher in den Hintergrund. Soziale Unternehmen, die teilweise über Spenden oder Fördermittel finanziert werden, fallen dann entsprechend unter die Definition „Social Entrepreneurship“. Auch diese Sicht ist historisch-kulturell geprägt: In Europa wurden im Laufe der Geschichte soziale Innovationen häufig durch Wohlfahrtsorganisationen vorangetrieben. Institutionen wie die Caritas, Gewerkschaften oder das Rote Kreuz spielen im sozialen Sektor und im Bestehen des Sozialstaats eine wichtige Rolle und sind bis heute häufig auf Spenden angewiesen bzw. staatlich gefördert. Ihre Tragfähigkeit und ihren gesellschaftlichen Nutzen stellen sie schon seit vielen Jahrzehnten unter Beweis. Werte wie Gemeinschaftssinn und soziale Verantwortung sind in diesem Sinne in Europa traditionell verankert und prägen unser Wirtschaftssystem. Nicht umsonst haben wir in Deutschland eine soziale Marktwirtschaft.

Was wollen Entrepreneure?

  • Beobachtete Missstände aktiv angehen, persönliche Beiträge zu einer besseren Welt leisten. Dahinter stehen ideelle ziele und der Wunsch nach Selbstverwirklichung.
  • Soziale Probleme unternehmerisch lösen.
  • Gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.
  • Gewinne erwirtschaften, um den sozialen Zweck weiter zu fördern.

Was zeichnet Social Unternehmen aus?

  • Die Reichweite der Wirkung ist ganz individuell. Manche Unternehmen erlangen globale Reichweite, andere bleiben regional aktiv.
  • Die Transparenz von Produktion und Prozessen gegenüber Kunden und Mitarbeitern ist in Sozialunternehmen sehr wichtig.
  • Regelmäßige Überprüfung, ob die Tätigkeit noch immer sinnvoll ist, um das Ziel zu erreichen.
  • Geld wird häufig über Umwege, wie Spenden oder eine öffentliche Förderung verdient.

Aufgabe Aufgabe: Welche der Aussagen stimmen?


Was haben Sozialunternehmen gemeinsam?

Welche zentralen Merkmale alle Sozialunternehmen ausmachen, ist in der Publikation EU Förderung für Sozialunternehmen auf Seite 4 zusammengefasst.

Social Entrepreneurship zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Die Schaffung eines überprüfbaren gesellschaftlichen Mehrwerts durch eine unternehmerische Lösung für ein klar benanntes gesellschaftliches Problem. Beispiel: Kindern in Entwicklungsländern kostenlos Schuhe zur Verfügung stellen, Schuhe, die aus den Gewinnen des Schuhverkaufs in Industrieländern finanziert werden.
  • Die unternehmerischeTätigkeit auf freien und gesetzlich geregelten Märkten durch die Herstellung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen. Beispiel: Schuhverkauf.
  • Festgelegte Regeln und Prozeduren, die sicherstellen, dass erwirtschaftete Überschüsse in erster Linie für die Verwirklichung der gesellschaftlichen Zielsetzung der Organisation verwendet werden (im Gegensatz zu einer vorrangigen Ausschüttung an die Teilhaber). Beispiel: Satzung.
  • Rechtsformen, die eine verantwortliche und transparente Verwaltung der Organisation ermöglichen. Beispiel:  gGmbH, eG…

EXKURS Nr. 2: Wozu muss man Social Entrepreneurship klar definieren?

Ist die Unterscheidung denn überhaupt wichtig?

Eine klare Definition ist vor allem für Investoren relevant, denn für diese ist es wichtig, die potentielle wirtschaftliche Tragfähigkeit und Skalierbarkeit eines Sozialunternehmens abschätzen zu können. Anhand der Definition lassen sich zielführende, bedürfnisgerechte Fördermaßnahmen entwerfen. Aus diesem Grund hat zum Beispiel das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Interesse an einer Definition, damit es potentielle Social Entrepreneure bestmöglich bei der Gründung unterstützen kann. Auch privatwirtschaftliche Investoren wollen einschätzen können, ob sie von einem Social Entrepreneur potentiell Gewinne erwarten können.

Kritiker einer solchen Abgrenzung wollen vermeiden, dass durch die stark ökonomische Prägung Menschen mit gestalterischem Willen, aber wenig wirtschaftlichen Ambitionen von einem Engagement zurückschrecken. Denn grundsätzlich ist ja nur zu befürworten, dass sich möglichst viele Leute mit guten Ideen für soziale Zwecke und eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse einsetzen.

Es gibt also gute Argumente für und gegen eine Eingrenzung des Begriffs Social Entrepreneurship.

Formen der Unternehmensstruktur

Den Zusammenhang und die Überschneidungen zwischen den beiden Polen haben die Autoren o.g. Studie fein aufgegliedert, um diese Definition greifbar zu machen:

Wie sich zeigt

Es gibt viele Mischformen in der Unternehmensstruktur. Eine eindeutige Abgrenzung ist in den meisten Fällen nicht möglich. Vor allem noch junge Sozialunternehmen finanzieren sich häufig gleichzeitig aus unterschiedlichen Quellen.